

Prinzessin im
verlorenen turm
Doch der Sturm verweht Deine Spuren, versteckt Dich vor meinen Blicken und
meinen Berührungen. Ich werde gequält von den Streicheleinheiten des Windes, die Deine Nähe
vortäuschen, seine leisen Stimmen flüsternd in meinem Kopf, die den Klang Deiner
Stimme kopieren. Er verhöhnt meine Gefühle und läßt mir keine andere Wahl als die zu
kämpfen, zu kämpfen gegen einen Gegner, den man nicht fassen, nicht töten kann. Ja,
ich werde kämpfen um Dich und Dich suchen, überall auf dieser Welt.
Auch wenn der Sturm mir den Regen entgegenwirft, mir den Blick für die Wirklichkeit
verschleiert, meine Gedanken wie Spielbälle durcheinander wirbelt und falsch
zusammenfügt, wird dieser eine Wille fest und stark sein.
Doch der Sturm kreuzt meinen Weg, versucht mich in falsche Richtungen und auf
verschlungenen Wegen zu führen. Es ist ein schwerer und dornenreicher Gang zum Schloß
Deiner Seele, die wie eine Kriegsburg befestigt ist und den Sturm zu ihrem Wachhund
erkor. Aber wenn ich aufgebe, wird es nicht mein Untergang sein, sondern Dir, meiner
Prinzessin, ein so schreckliches Schicksal bescheren, daß ich es nicht einmal meinem
ärgsten Feinde wünsche. Jedoch verzweifle nicht, denn ich werde Dich suchen und
finden, Dich retten und beschützen bis an das Ende unserer Tage.
Doch der Sturm wird stärker, drängt mich zurück in die Position des Verteidigers, der
ich nicht sein will und nicht sein kann. Jetzt droht auch mein Lebenslied zu
verstummen, auf daß nie wieder die Flagge der Freiheit weht über den Dächern der
Einzelnen.
Halt ein, Königin meiner Sehnsüchte, zweifle nicht, harre aus, damit auch ich stark
sein kann. Gib die Hoffnung nicht auf, lege Dich nicht hin zum Schlafe, stehe auf und
recke Deine Glieder. Ich weiß nicht wie, aber ich werde es schaffen, Dich und mich zu
befreien. Nur so kann diese Welt existieren, eine Welt, die am Abgrund der Zeiten
steht, auf dem Boden unseres Willens.
Bitte, warte einen Moment, verzweifle nicht, bis ich komme, um Dich zu befreien, die
Mauern Deines Gefängnisses niederzureißen und dem Sturm Einhalt zu gebieten. Ja, warte
nur einen Moment, denn ich komme bestimmt.
© by J. Heinrich Heikamp